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Machterhalt der wilhelminischen Eliten So bewirkte die Entwicklung zwischen November 1918 und Januar 1919 ein Abbremsen der Revolution - die Umwälzung blieb auf den politischen Bereich beschränkt. Eine Demokratisierung des öffentlichen Dienstes, der Wirtschaft und wichtiger gesellschaftlicher Einrichtungen fand nicht statt. Seit Eberts Aufrufen vom 9. November arbeiteten die Regierungs-, Verwaltungs- und Justizbehörden ohne wirksame Kontrolle weiter; selbst betont antidemokratische Beamte wurden nicht entlassen. Gymnasien und Universitäten - Hochburgen des Monarchismus, Nationalismus und Antisemitismus - blieben unreformiert. Die evangelischen Landeskirchen, deren Pfarrerschaft sich (besonders in Preußen) mit wenigen Ausnahmen kritiklos mit Kaiser und Reich identifiziert hatte, mußten freilich auf das landesherrliche Kirchenregiment (das heißt auf die Stellung des Landesfürsten als Kirchenoberhaupt) verzichten, das dem Protestantismus eine Vorrechtsstellung gegenüber dem Katholizismus gesichert hatte. Erst Mitte der zwanziger Jahre fanden die evangelischen Kirchen zu einer versöhnlicheren Haltung gegenüber der Republik. Generalität und Offizierskorps behielten ihre Stellung. Noch am Abend des 10. November 1918 unterstellte sich die OHL in einem Telefongespräch zwischen Groener und Ebert dem Rat der Volksbeauftragten, um ihrer Auflösung zu entgehen und ihre Autorität gegenüber den Soldaten zu festigen. Sie erließ sogar einen Befehl zur Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten im Feldheer - um "diese Bewegung in die Hand der Offiziere zu bekommen". Zwar wurden die kaiserlichen Militärs für die Demobilisierung noch gebraucht. Aber die Volksbeauftragten versäumten es, insbesondere der OHL gegenüber selbstbewußt aufzutreten und deren Befugnisse auf das Nötigste zu beschränken. In zwei unbefristeten Erlassen vom 11. und 12. November 1918 stärkten die Volksbeauftragten die Autorität der Offiziere, während sie den Soldatenräten lediglich eine beratende Stimme in Verpflegungs-, Urlaubs- und Disziplinarangelegenheiten zubilligten. Der Versuch der Volksbeauftragten, per Erlaß vom 12. Dezember eine "Freiwillige Volkswehr" aufzustellen, die das kaiserliche Militär ersetzen konnte, scheiterte, weil nur wenige republikanisch und demokratisch gesinnte Weltkriegssoldaten noch zum Wehrdienst bereit waren. So blieb die alte Armee bestehen. Im Zuge der Demobilisierung schmolz sie unter der Regie der OHL bis zum Sommer 1919 auf einen Kern von etwa 150000 Mann zusammen, die der Republik und der Demokratie fast ausnahmslos fernstanden. Auch die ostelbischen adligen und bürgerlichen Großgrundbesitzer, die im Kaiserreich den Großteil des höheren Offizierskorps stellten und das Rückgrat der Monarchie bildeten, kamen ungeschoren davon. Ihre Entmachtung wäre, zumal die Rätebewegung die Kleinstädte und Dörfer der Agrargebiete nicht erreicht hatte, nur durch Enteignung möglich gewesen; doch diese Forderung wurde von keiner gesellschaftlichen Gruppe erhoben. Quelle: Informationen zur politischen Bildung Heft 261, 1998 |