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kriegsschuldfrage_erdmann
Fritz Fischer (1965):


Die historische Betrachtung des Ersten Weltkrieges wird in der Tradition der deutschen Geschichtsschreibung vom „Zeitalter des Imperialismus" getrennt. Im Weltkrieg wären - nach dieser Ansicht - neue Elemente für die Politik aller Länder wesentlich geworden. Demgegenüber betone ich, dass es unhaltbar ist, die Politik der Nationen vor dem Krieg von der im Krieg zu trennen. Das gilt für die Politik aller Mächte. Alle Mächte kennzeichnete ein imperialistischer Anspruch, Prestigebedürfnis und Ausbreitungsdrang. Doch allein Deutschland - und darin bestand ein gravierender Unterschied zu England, Frankreich, Russland, den USA - sah seine Stellung, die es im Konzert der Mächte einnahm, im Blick auf seine Potenz als industriereichste Nation des Kontinents [...] als nicht angemessen an. Deutschland war mit vollem Bewusstsein und mit aller Energie aufgebrochen, sich von der unter Bismarck erreichten Großmachtstellung in der alteuropäischen Pentarchie *) zur „Weltmacht" aufzuschwingen. [...] Deutschland benutzte Sarajewo bewusst als die sich bietende Gelegenheit, um die Blockierung der deutschen Weltpolitik zu überwinden. Dazu galt es, den als „Einkreisung" empfundenen und publizistisch aufgebauschten Gürtel der Entente-Mächte um Deutschland zu sprengen - durch Krieg oder strikte Androhung des Krieges. Der von Deutschland gewünschte und geforderte Blitzkrieg gegen Serbien war als eine gezielte Provokation für Russland berechnet. [...]

*)
Herrschaft von fünf Mächten
In: W. Schieder (Hg.): Erster Weltkrieg. Ursachen und Kriegsziele, Band 32, Köln 1969, S. 88-90




Egmont Zechlin (1983):


Als die Reichsleitung am 5./6. Juli 1914 mit der so genannten Blankovollmacht Österreich-Ungarn freie Hand für eine „Aktion" gegen Serbien gab, wollte sie nicht nur das verbündete Habsburger Reich stützen und erhalten, sondern einer sich anbahnenden Machtverschiebung im Staatensystem entgegenwirken. Die Sorgen, die sich in diesen Wochen zuspitzten und tieferliegende Ursachen hatten, betrafen:
1. Umwälzungen in Südosteuropa. Nachdem Russland dort in den achtziger Jahren unter dem ideologischen Banner des Panslawismus eine Kriegsgefahr heraufbeschworen hatte, boten sich ihm mit den Siegen der Balkanstaaten über die europäische Türkei von 1912 Chancen, den Machtkampf mit der Habsburger-Monarchie um die Vorherrschaft in diesem Raum wieder aufzunehmen. [...]
2. Aus Nachrichten, die der deutschen Führung insgeheim aus der russischen Botschaft in London zugingen, ergab sich, dass die Tripleentente im Begriff war, sich zu einem fester gefügten Allianzsystem zu entwickeln. Damit verdichtete sich nach dem Höhepunkt der imperialistischen Offensive der Jahrhundertwende ein Entwicklungsprozess, mit dem die Tripleentente durch Abgrenzung ihrer Interessensphären in der Kolonial- und Weltpolitik Kräfte freibekam, um sich wieder mehr den Konflikten und Krisen in Europa zuzuwenden. Wollte man sich hier der Dynamik des aufsteigenden Deutschen Reiches erwehren, so geriet Deutschland in Gefahr einem konzentrischen Druck ausgesetzt zu werden. [...]
3. musste der deutsche Generalstab und damit die Reichsleitung in Zukunft mit einer militärischen Unterlegenheit rechnen. Der schwerwiegende Wandel in der Lagebeurteilung in den Wochen und Monaten vor dem Attentat von Sarajevo veranlasste die deutsche Führung, den lokalen österreichisch-serbischen Konflikt zur präventiven*) Abwehr der zunehmend gefährlicher erscheinenden außenpolitischen Bedrohung zu benutzen. […]
Und nirgends findet sich ein Beweis für die Behauptung, dass hier mit kriegerischer Gewalt Projekte der politischen, wirtschaftlichen und territorialen Expansion verwirklicht werden sollten und an Stelle eines Gleichgewichtes im Staatensystem die Idee einer Hegemonie in Europa Motiv und Ziel der deutschen Politik gewesen seien.

*) präventiv: vorbeugend

E. Zechlin: Deutschland zwischen Kabinettskrieg und Wirtschaftskrieg, S. 361 f.




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