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Gegen die Reformen in Preußen bildete sich eine mächtige Adelspartei. Deren Wortführer war Friedrich Ludwig von der MarwitzF) .

Am 9.2.1811 richtete er ein Schreiben an den preußischen König Friedrich Wilhelm III., das hier in Auszügen vorliegt.


„Die Erbuntertänigkeit war kein Rest der Sklaverei. Dafür, dass sie es nicht sein konnte, hatten weisende und einschränkende Gesetze längst gesorgt. Es ist nie ein Fall bekannt geworden, dass irgendeinem von ihnen sein Recht im weitesten Sinne des Worts nicht geworden sei.

Die Untertänigkeit war vielmehr ein patriarchalisches2) Band, wel­ches den Bauern an den Edelmann knüpfte, ein Band, welches die Idee eines höheren Rechts und einer edleren Sitte, die Achtung vor einem gebildeten Leben auf eine Art in die Gemüter jener untersten Klasse pflanzte, welche aufgehoben nur der äußersten Zuchtlosig­keit und der gefährlichsten politischen Irreligiosität Raum geben kann.

Ich rechne nämlich gleich hierher die Aufhebung der Patrimonial- Gerichtsbarkeit3) [...]. Wodurch denn soll der Staat, in seinen edelsten Funktionen bisher repräsentiert durch den Gutsherren, nun aber herausgerückt aus der berührenden Nähe, sich den Bauern ferner offenbaren? Durch seine Steuereinrichtungen, die ihnen verhasst?   durch seine Gerichte, die ihnen zweideutig oder mindestens gleichgültig sind? Will er sie gewinnen durch Abnehmung bedeutender Lasten? [...] Glaubt er sie durch steigenden Wohlstand emporheben zu können auf eine höhere Stufe der Kultur?   Das ist der verkehrte Weg! Wohl­stand und Schrankenlosigkeit, sobald sie nicht ruhen auf einer Ba­sis von Gesinnung, führen [...] nur zu der größten sittlichen Roheit, zu dem ruchlosesten Egoismus, und nichts ist gefährlicher, als eine äußere Subordination4) aufzuheben, wenn man nicht im Stande ist, unmittelbar an deren Stelle eine innere zu setzen. Der Wille freier Menschen (eine tönende Re­densart!) ist nicht der unerschütterliche Pfeiler des königlichen Throns, sondern nur des Throns, der unter einem Volke aufgerichtet ist, in welchem [...] jene innere Subordination schon ins Leben getreten ist, mithin der Wille nicht mehr frei ist.

Der freie Wille ohne jene Basis kann aber ebenso wohl gegen den königlichen Thron gerichtet sein, und wird es, weil die Ungebundenheit nicht den pflichtgemäßen Willen erzeugen kann. [...] Es kommt also nicht darauf an, die Schranken zu öffnen, sondern eine innere Subordination zu erzeugen.

Der Staat selbst ist ein Unding für den Bauern, weil er ihn weder sehen noch erkennen kann, außer etwa durch die Abgaben, die er an ihn zahlt.

Er erkennt ihn also höchstens im ganzen als etwas Drückendes und

also Feindseliges (wie er sich ihm denn auch jederzeit nach seinen besten Kräften zu entziehen sucht); die Zwischenbehörde aber (den Gutsherrn) erkennt er vollständig, denn er lebt mit ihm, und durch ihn erkennt er den Staat; denn er weiß, daß sie beide demselben untergeordnet sind.

Dass die Aufhebung der alten Gesindeordnungen keine wahre Ordnung für das Gesinde5) bewirke, wird auch jetzt handgreiflich wahrgenom­men. [...]

Der wichtigste Punkt, nämlich die Verhütung des Herumstreifens des herrenlosen Gesindes, der Knechte und Viehmägde, und der daraus entspringenden Ordnungslosig­keit und Liederlichkeit ist nicht bedacht worden. Früher bewirkte die Erbuntertänigkeit allein Ordnung, weil niemand

ohne Bewilligung des Herrn den Ort seiner Geburt verlassen und niemand den entlaufenen Untertan annehmen durfte, bei Gefahr, ihn wieder abgeholt zu sehen. Jetzt streift alles Gesinde umher, ver­mietet sich heute des Mietsgeldes wegen und entläuft morgen, um anderswo neues Mietsgeld zu bekommen und seinen Lohn zu steigern.

Ordnung hierin ist also sehr notwendig.


F) Friedrich August Ludwig von der Marwitz, preußischer General und Politiker, *29.5.1777 in Berlin,

+ 6.12.1837 in Friedersdorf bei Küstrin. Der einer alten Adelsfamilie entstammende Marwitz trat bereits 1791 in die preußische Armee ein, bewirtschaftete nach seiner Entlassung 1802 sein Gut Friedersdorf, ließ sich aber als entschiedener Gegner Napoleons 1805 wieder in den militärischen Dienst stellen. Nach der Teilnahme an der Schlacht bei Jena und Auerstedt stellte er 1807 in Pommern ein Freikorps (eine Art Privattruppe) auf , das jedoch nicht mehr zum Einsatz kam. Nach seiner erneuten Entlassung wurde er als Sprecher des Adels ein erbitterte Gegner der Reformer, insbesondere Hardenbergs, der ihn daraufhin auf der Festung Spandau fünf Wochen festsetzen ließ. Zu Beginn der Befreiungskriege gegen Napoleon wurde er Kommandeur einer Kavalleriebrigade. 1817 zum Generalmajor befördert, bekämpfte er als Vertreter konservativer und reaktionärer Adelskreise die Reformbestrebungen in Preußen und verteidigte die Privilegien des Adels, dem er jedoch neue politische und soziale Aufgaben aus patriarchalischer Verpflichtung zuweisen wollte.

2) von Patriarchat = „Vaterherrschaft“

3) Gerichtsbarkeit, die der adlige Grundherr über seine erbuntertänigen Bauern ausübte

4) Unterordnung, Gehorsam

5) Knechte und Mägde auf einem Bauernhof/Gutshof




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