top_left top_right

Erich Kästner beschreibt die Bücherverbrennung in Berlin

Erich Kästner

Im Jahre 1933 wurden meine Bücher in Berlin, auf dem großen Platz neben der Staatsoper, von einem gewissen Herrn Goebbels mit düster-feierlichem Pomp verbrannt. Vierundzwanzig deutsche Schriftsteller, die symbolisch für immer ausgetilgt werden sollten, rief er triumphierend bei Namen. Ich war der einzige der Vierundzwanzig, der persönlich erschienen war, um dieser theatralischen Frechheit beizuwohnen.
    Ich stand vor der Universität, eingekeilt zwischen Studenten in SA-Uniform, den Blüten der Nation, sah unsere Bücher in die zuckenden Flammen fliegen und hörte die schmalzigen Tiraden des kleinen abgefeimten Lügners. Begräbniswetter hing über der Stadt. Der Kopf einer zerschlagenen Büste Magnus Hirschfelds stak auf einer langen Stange, die, hoch über der stummen Menschenmenge, hin und her schwankte. Es war widerlich.
    Plötzlich rief eine schrille Frauenstimme: "Dort steht ja der Kästner!" Eine junge Kabarettistin, die sich mit einem Kollegen durch die Menge zwängte hatte mich stehen sehen und ihrer Verblüffung übertrieben laut Ausdruck verliehen. Mir wurde unbehaglich zumute. Doch es geschah nichts. (Obwohl in diesen Tagen gerade sehr viel zu "geschehen" pflegte.) Die Bücher flogen weiter ins Feuer. Die Tiraden des kleinen abgefeimten Lügners ertönten weiterhin. Und die Gesichter der braunen Studentengarde blickten, den Sturmriemen unterm Kinn, unverändert geradeaus, hinüber zu dem Flammenstoß und zu dem psalmodierenden, gestikulierenden Teufelchen.
    In dem folgenden Jahrdutzend sah ich Bücher von mir nur die wenigen Male, die ich im Ausland war. In Kopenhagen, in Zürich, in London. - Es ist ein merkwürdiges Gefühl, ein verbotener Schriftsteller zu sein und seine Bücher nie mehr in den Regalen und Schaufenstern der Buchläden zu sehen. In keiner Stadt des Vaterlandes.
    Es hat zwölf Jahre gedauert, bis das Dritte Reich am Ende war. Zwölf Jahre haben genügt, Deutschland zugrunde zu richten. Und man war kein Prophet, wenn man, in satirischen Strophen, diese und ähnliche Ereignisse voraussagte. Daß keine Irrtümer vorkommen konnten, lag am Gegenstand: am Charakter der Deutschen. Den Gegenstand seiner Kritik muß der Satiriker natürlich kennen. Ich kenne ihn.

Erich Kästner für Erwachsene. Hg. von Rudolf Walter Leonhardt.
Zürich:Atrium Verlag.


vorige Seite nächste Seite 
[Karte 1: Vom Potsdamer Platz zum sowjetischen Ehrenmal] [Karte 2: Historisches Zentrum und Alexanderplatz]

[Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche]
[Potsdamer Platz]
[Berliner Abgeordnetenhaus]
[Ausstellung]
[Topographie d. Terrors]
[Wilhelmstraße]
[Brandenburger Tor]
[Reichstagsgebäude]
[sowjetisches Ehrenmahl]
[historisches Zentrum]
[Alexanderplatz]
[Wannsee-Konferenz]
[Deutscher Widerstand]
[Checkpoint-Charly]

[Seitenanfang]
[Home]
[Programmheft]
[Hinreise]
[Unser Quartier]
[Rundgang durch Berlin]
[Rundgang durch Potsdam]
[Tagebuch]
[Wieder zurück]
[Links]
[Sitemap]
Letzte Änderung: Oct 31, 2004 13:26:07
URL: http:///
©2000 Freimut Köster
Design: Professional Web Solutions

.
Home
.
Programmheft
.
Hinreise
.
Qartier
.
Berlin
.
Potsdam
.
Tagebuch
.
Zurueck
.
Links
.
bottom_left bottom_right